Muslimische Feder

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Sokrates – Ein Prophet des Abendlandes?

Sokrates – Ein Prophet des Abendlandes?

The Academy of Athens

Der Koran erwähnt etwa 27 Propheten namentlich. Doch aus unterschiedlichen Quellen geht hervor, dass Gott 124.000 Propheten schickte, um die Menschen auf Seinen Weg zu leiten. Ganz egal ob es tatsächlich genau 124.000 an der Zahl waren. Viel wichtiger ist, dass kein Land, kein Volk und kein Zeitalter ausgelassen wurden; ihnen allen wurden Propheten gesandt. Der Koran informiert:

„Und es gibt kein Volk, bei dem nicht früher schon ein Warner erschienen wäre.“ (35:25)

Es wäre doch schlicht ungerecht, wenn ein Teil der Welt von Rechtleitung ausgenommen geblieben wäre. Diese Gesandten hatten eines gemeinsam, nämlich, dass sie alle die Einheit Gottes predigten. Ihre Botschaft fand bei dem Großteil der Bevölkerung keinen Anklang. Im Gegenteil, sie wurden immer verfolgt, gequält, ja sogar getötet. Doch es ist das Anzeichen eines wahren Propheten, dass er stets standhaft, stark und bereit ist, sein Leben für die Verbreitung des Wort Gottes zu geben.

Wir haben nicht viel Gesichertes über die Propheten, die im Koran nicht erwähnt wurden. Trotzdessen können wir jedoch bestimmte Maßstäbe auf den Charakter von Menschen ansetzen, die den Anspruch erhoben von Gott geschickt wurden zu sein und mit ihm im direkten Kontakt zu stehen. Die Propheten, die wir kennen, stammen meist aus dem Gebiet des Nahen- und Mittleren Ostens. Aus Quellenfunden wissen wir jedoch auch, dass die Idee um den Unsichtbaren, Allmächtigen und Einzigen Gott von Anfang an in der Welt existierte, und zwar durch Offenbarung. Wir wissen beispielsweise, dass das Ur-Volk der Zulu an ” Unkulunkulu” (südafrikanisches Volk), die Arantas (zentral-australisches Volk) an “Altschira”, die Ga (westafrikanisches Volk) an “Ataa Naa Nyongmo”, die Hindus glaubten an “Derona“, Germanen an “Odin (auch Allvater)” und auch über Ureinwohner Nordamerikas, Mexikos und vielen anderen ist bekannt, dass Sie eine Zeit lang an einen einzigen Gott glaubten. Aus diesen Tatsachen kann man schlussfolgern, dass Gott seine Gesandten zu diesen Völkern schickte, um sie auf den rechten Weg zu leiten. Was geschah, aber als die Propheten zu ihrem Schöpfer zurückkehrten? Sie gesellten dem Einzigen Gott andere Gottheiten bei. Sie beteten Götzen an, da Sie davon ausgingen, dass Gott für den Menschen unerreichbar geworden sei. Ein ähnliches Geschehnis finden wir auch in der Prophetengeschichte von Moses (as). Darüber heißt es im Koran: 

„Das Volk Moses machte, indes er fern war, aus seinen Schmucksachen ein blökendes Kalb – ein Bildwerk. Sahen sie denn nicht, daß es nicht zu ihnen sprach noch sie irgend des Weges leitete? Sie nahmen es sich, und sie wurden Frevler.” (7:149)

Wenn wir nun auf die europäische Gesellschaft blicken, sehen wir vermehrt Menschen, die sich vollkommen von dem Glauben an ein höheres Wesen gelöst haben. Sie orientieren sich an die Wissenschaft und die Philosophie. Sie meinen ihren Lebensweg auf die Beste Art und Weise beschreiten zu können, indem sie sich lediglich auf ihre Sinne und ihre Vernunft verlassen. Wissenschaft hat längst hinsichtlich der Autorität, die ihre Aussagen in der gesellschaftlichen Wahrnehmung genießen, der Religion ganz eindeutig den Rang abgelaufen. Das Ziel der Wissenschaft ist die rationale, nachvollziehbare Erkenntnis der Zusammenhänge, Abläufe, Ursachen und Gesetzmäßigkeiten, durch Wissenserweiterung. Und die Philosophie definiert sich als Streben nach dem Guten, Wahren und Schönen  oder nach Weisheit, Wahrheit und Erkenntnis. Beides Definitionen, die Sokrates selbst abgelehnt hätte, da der Einschluss einer weiteren Variablen, nämlich der Offenbarung um die absolute Erkenntnis zu erlangen, vernachlässigt wird.

Sokrates kann als Pionier der Philosophie (griech. „Liebe zur Weisheit“) bezeichnet werden. Sokrates war es, der Platon lehrte, welcher wiederum Aristoteles lehrte. All diese Philosophen wirkten in der Stadt Athen. Aus dieser Stadt sollte sich in späteren Jahrhunderten die Philosophie über das ganze Abendland verbreiten, obwohl lange Zeit eine solch abwehrende Haltung gegen das neue Denken existierte, und das vor allem von den Rändern des griechischen Raumes (Ionien und Unteritalien).

Auch Mirza Tahir Ahmad erörtert in seinem Buch „Revelation, Rationality, Knowledge & Truth“, dass Sokrates ein Prophet des antiken Griechenland war, da seine gesamte Persönlichkeit dem Vorbild der Gesandten Gottes entspreche.

Als gesicherte Informationen über Sokrates gelten nur wenige Berichte. Über seinen Werdegang ist für die erste Lebenshälfte kaum etwas und danach auch nur Lückenhaftes bekannt. Zu den bedeutenden Quellen seiner Biographie zählen: der Komödiendichter Aristophanes sowie zwei Schüler des Sokrates, Historiker Xenophon und der Philosoph Platon. Sokrates wurde 469 v. Chr. in Athen als Sohn eines Bildhauers und einer Hebamme geboren. Wie jeder andere Athener nahm auch er an Politik teil und war zudem ein stets loyaler Staatsbürger. Mit seiner Frau Xanthippe hatte er drei Kinder. Sokrates verbrachte viel Zeit auf den öffentlichen Plätzen Athens. Auf dem belebten Marktplatz sah man ihn in Gesprächen über die wichtigen Fragen des menschlichen Lebens verwickelt. So schreibt Aristophanes:

 „So tat gerade er stets alles in voller Öffentlichkeit. Am frühen Morgen ging er nämlich nach den Säulenhallen und Turnschulen, und wenn der Markt sich füllte, war er dort zu sehen, und auch den Rest des Tages war er immer dort, wo er mit den meisten Menschen zusammen sein konnte. Und er sprach meistens, und wer nur wollte, konnte ihm zuhören.“

Über den Charakter des sokratischen Gesprächs ließ Platon den Alkibiades sagen:

 „… wenn einer des Sokrates Reden anhören will, so werden sie ihm anfangs ganz lächerlich vorkommen, in solche Worte und Redensarten sind sie äußerlich eingehüllt, wie in das Fell eines frechen Satyrs. […] Wenn sie aber einer geöffnet sieht und inwendig hineintritt: So wird er zuerst finden, daß diese Reden allein inwendig Vernunft haben, und dann dass sie ganz göttlich sind und die schönsten Götterbilder von Tugend in sich enthalten und auf das meiste von dem oder vielmehr auf alles abzwecken, was dem, der gut und edel werden will, zu untersuchen gebührt.“

So sahen die Schritte im sokratischen Gesprächsverlauf aus:

1. Sokrates stellt sich unwissend („sokratische Ironie“) und fragte seinen Gegenüber

2. Dieser antwortet unüberlegt und leichtfertig

3. Nach Prüfung der Antwort stellt sich diese Ansicht als falsch heraus

4. Der Schock, die Verwirrung ist der entscheidende Effekt der sokratischen Methode; dem Gesprächspartner wird klar, wie falsch seine Aussage war, er fragt sich selbst und begreift, dass am gestellten Problem etwas fraglich ist und beginnt sich schließlich, dafür zu interessieren

5. Der Gesprächspartner soll sich aufmachen um die Lösung zu suchen

Sokrates plädierte dafür im Gespräch mit anderen über den Wahrheitsanspruch von Geglaubtem zu diskutieren, um sich der Wirklichkeit so gemeinsam – mittels der besten Hypothese – zumindest anzunähern.

Damit hängt auch zusammen, dass Sokrates es durch die ihm offenbarten Worte: 

„Erkenne dich selbst!“

 als seinen göttlichen Auftrag ansah, die Mitmenschen zu prüfen. Durch seine Fragen möchte er, den Personen die Antworten entlocken und nicht vorgeben, alles besser zu wissen. Seine Absicht bestand darin oberflächliche, vorschnelle Meinungen und Urteile bekämpfen und die Menschen zur wahren Erkenntnis, zur „Erkenntnis des Guten“ führen. Er lehrte den Athenern, dass das Leben mehr zu bieten hat, als das bloße Befriedigen der körperlichen Bedürfnisse und das Anhäufen von Reichtümern. Er lehrte, dass der Mensch sich tugendhaft und moralisch Verhalten sollte, um dauerhaft glücklich zu werden.

Bald fanden seine Lehren den Anklang bei jungen Athenern, die nun zu seinen Schülern wurden und seine Lehren verbreiteten.  Als Basis seiner Lehren galt neben seinen Worten auch sein Vorbild. Zwar kann man über bestimmte zugeschriebene Charaktereigenschaften debattieren, aber nicht bezweifeln, dass er ein wahrhaft geliebter Gesandter Gottes war. Eine Begegnung mit ihm soll beeindruckend gewesen sein. Zum einen war es sein Äußeres, was die Menschen beeindruckte. Zum anderen war es die Art, wie er Gespräche führte. Xenophon beschreibt seine Lebensführung als konsequent und rühmt ihn dafür, dass er immer gerecht handelte. Außerdem war er immer darauf bedacht nach dem Gesetz zu handeln. Besonders stellt er auch seine Selbstbeherrschung, Genügsamkeit und Bedürfnislosigkeit in den Mittelpunkt. Auch beim Essen und Trinken konnte Sokrates als ein Vorbild dienen. Sokrates lehrte, dass die Seele den Tod des Körpers überstehe und losgelöst von ihm, als rein geistige Entität weiter existiere. In diesem Stadium sei es der Seele möglich die wahre Urform alles Seienden zu erkennen. Sokrates sagte, wer bei den Belangen des Körpers nicht auf den Sachverständigen  höre, der schade seinem Körper so weit, dass sein Leben nicht mehr lebenswert sei. Ebenso verhalte es sich im ethischen Bereich: Ungerechtes Tun schade unmittelbar dem Verursacher selbst und zerstöre den Wert seines Lebens. Dies gelte es daher zu vermeiden.

Er nahm ständig Bezug auf Weissagungen, auf die Offenbarungen Gottes, die für den Menschen als moralischer Kompass fungierten, indem sie ihn vor schlechten Taten warnen und schützen sollen. Darüber hinaus nutzte Sokrates den Begriff „Gott“ immer im Singular lehnte die „staatlich anerkannten“ Götter und Göttinnen der Griechen offen ab. Stattdessen glaubte er an seinen „Stimmengott“, durch den er sich leiten ließ, indem, was Recht und Unrecht, Gut und Böse ist. Dazu heißt es im Koran: 

“Dir allein dienen wir, und zu Dir allein flehen wir um Hilfe. Führe uns auf den geraden Weg.” (1:5)

Sokrates wendet sich gegen den Götterkult der Athener, der auch beinhaltet die Götter durch Opfergaben und Geschenken gnädig zu stimmen. Gemäß ihm können Götter “keinerlei Geschenke von uns benötigen, wohingegen wir vollkommen von ihren Geschenken an uns abhängig sind…” Diese sokratische Behandlung athenischer Anbetung ihrer polytheistischen Gottheit, bezieht sich im Plural auf die Gottheit. Dennoch sollte man sich hier vor Augen halten, dass das Wort “Gott”, wann immer es von Sokrates im Plural benutzt wurde, nicht immer auf die athenischen Götter verweist, sondern, dass er sich mit dem Begriff “Götter” manchmal auf Engel oder andere spirituelle Lebensformen bezieht. Dementsprechend Wesen, die über dem Menschen, aber unterhalb Gottes stehen.

Xenophon überliefert in seinen Memorabilien diese sokratische Grundüberzeugung: Menschliche Weisheit zeigt sich nicht nur in intellektuellen Leistungen, sondern in gleichem Maße in ethisch gutem Tun. Was ihn zum weisen gegenüber anderen Gelehrten Athens machte war, dass er nie mit seinem Wissen prahlte, da er verstand, dass er selbst nichts wisse. „Ich weiß, dass ich nicht weiß“, lautet seine berühmte, aber stark verkürzte Formel, die er predigte. Er sagte, dass Gott ihm mittgeteilt habe: 

„Unter euch, ihr Menschen, ist der der Weiseste, der wie Sokrates einsieht, dass er in der Tat nichts wert ist, was die Weisheit anbelangt“. (Apologie 23 a)

Für Sokrates ist das Wissen des Nichtwissens ein zentrales Thema seiner Reflexionen. Es geht ihm dabei um das Gewahr werden der eigenen Grenzen. Aber gerade dadurch erreiche der Mensch erst eine höhere Vollkommenheit endlichen Wissens. Nach Sokrates besteht die wahre Weisheit nicht in der Ansammlung von möglichst viel Wissen, sondern in dem Wissen, das über sich selbst Bescheid weiß. Das Wissen wird darin einer zweiten Bearbeitung unterzogen, um größere Gewissheit zu erreichen. Es geht um eine transzendentale (übersinnliche) Reflexion. Dies ist also der Unterschied zwischen dem Wissen der Unwissenheit der Athener und des Sokrates. Beide verhalten sich zueinander wie das Wissen eines Sehenden zum Wissen des Blinden vom Sonnenlicht. Der eine weiß nichts, weil er nur Worte gebraucht, aber an die eigentliche Realität des wahren Gegenstandes noch gar nicht gerührt hat. Der andere aber kennt das Unvermögen seiner Worte, weil er die Wirklichkeit seines Gegenstandes berührt hat und sein vollkommenes Unvermögen davor eingesteht. Der um seine Unwissenheit nicht Wissende betet nur leblose Formeln nach; er folgt blind der Tradition seiner Schule und glaubt ein Theologe zu sein, weil er reden kann, obwohl er vom Inhalt seiner Formeln nie etwas erlebt hat. Im Koran sprachen die Engel zu Gott: 

„Heilig bist Du! Wir haben kein Wissen außer dem, was Du uns gelehrt hast; wahrlich, Du allein bist der Allwissende, der Allweise.“ (2:33)

Neben dem Anklang, den seine Worte und seine Taten finden, gibt es eine Reihe von Gelehrten, Staatsbeamten und auch einfachen Bürgern, die sich durch ihn in öffentlich bloßgestellt fühlen. Mit seinen Lehren verderbe Sokrates die jungen Athener, beklagen die Kritiker. Immer wieder wird Sokrates von den Athenern als „Zauberer“ diffamiert, der durch seine Gesprächsführung die Menschen in seinen Bann schlage und sie gleichsam durch magische Formeln zur Erkenntnis bringe. Erinnert das nicht an die Behandlung anderer Gesandten Gottes? Sogar Memon, ein junger thessalischer Adliger, schildert seine Hilflosigkeit gegenüber der Persönlichkeit Sokrates‘, indem er resigniert feststellt, dass Sokrates ihn behexe und narkotisiere.

Im Jahre 339 v. Chr. wird er dann unter anderem von Anytos, der Asebie (Gottlosigkeit) bezichtigt. Dieser ärgerte sich darüber, dass sich sein Sohn als Schüler des Sokrates mehr der Philosophie als dem väterlichen Betrieb widmete. Konservative Kreise verfolgten schon seit mehreren Jahrzenten Personen mit dem Vorwurf der Gottlosigkeit, die ihrer Ansicht nach die traditionellen Denkweisen durch ihr Hinterfragen erschütterten. Sie reichten folgende Anklage gegen Sokrates ein: 

„[…] Sokrates tut Unrecht dadurch, dass er sich nicht an die Götter hält, an die sich die Stadt hält, sondern andere, neue dämonische Wesen einführt. Und außerdem tut er Unrecht dadurch, dass er die Jugend verdirbt. Als Strafe wird der Tod beantragt.“

Bei der Gerichtsverhandlung verteidigt Sokrates sich, indem er betont:

„Denn nicht nur jetzt zum ersten Mal, sondern schon immer ist es meine Art, daß ich nichts anderem in mir gehorche als dem Grundsatz, der sich mir bei der Überprüfung als der beste zeigt.“ (Crito 45B)

Sokrates will damit lediglich die schlichte Feststellung treffen, dass er auch im Gefängnis und auch in Erwartung der Vollstreckung des Todesurteils die Gewohnheit beibehält, seine Handlungsweise zu überprüfen und am besten Grundsatz auszurichten. Der volle Gehalt dieser Einstellung tritt zutage, nachdem sich im prüfenden Gespräch herausgestellt hat, dass nicht die Meinung der Menge, sondern die des einen Sachverständigen (Gott) ausschlaggebend ist und dass es nicht um das Leben um jeden Preis, sondern um das gut Leben geht, und das heißt um das schön und gerecht leben. An den Senat gerichtet, der dabei war, ihn zum Tode zu verurteilen, sprach er darüber in ruhiger Haltung und Würde:

“… Männer Athens, ich achte und liebe Euch; gleichwohl werde ich eher Gott als Euch gehorchen, und solange ich lebe und Kraft habe, werde ich nimmer von der Praxis und Lehre der Philosophie zurückstehen…”

Er verteidigt seinen „glorreichen Dienst“ im Auftrag Gottes und betont: 

„Ich glaube, daß Euch in dieser Stadt niemals etwas Besseres widerfahren ist, als dieser mein Dienst an den Gott.” 

Dazu sieht er sich dazu verpflichtet die Befehle, die der durch übernatürliche Wegen erhält zu befolgen. Bei seiner Verurteilung erklärt Sokrates, warum er sich nicht vor der staatlichen Gewalt über die Entscheidung zwischen Leben und Tod eingeschüchtert von der gesellschaftliche Praxis seiner Philosophie abwendet. So sagte er:

 „Mir aber ist dieses, wie ich behaupte, von dem Gotte auferlegt zu tun durch Weissagung und Träume und auf jede Weise, wie nur je göttliche Schickung einem Menschen etwas auferlegt hat zu tun. Dies, ihr Athener, ist ebenso wahr als leicht zu erweisen. Denn wenn ich von unsern Jünglingen einige verderbe, andere verderbt habe, so würden doch, wenn einige unter ihnen bei reiferem Alter eingesehen hätten, dass ich ihnen je in ihrer Jugend zum Bösen geraten, diese selbst jetzt aufstehen, um mich zu verklagen und zur Strafe zu ziehen; wollten sie aber selbst nicht, so würden irgend welche von ihren Verwandten, Eltern, Brüder oder andere Angehörige, wenn ich ihren Verwandten irgend Böses zugefügt, es mir jetzt gedenken.“ (Apologie 33C)

Zwischen diesen zwei Verpflichtungen – auf der einen Seite das philosophieren bis an die Grenzen; und auf der anderen Seite die Befolgung von Befehlen aus übernatürlichen Wegen – sieht er keinen Konflikt. Hingegen sieht er sie in perfekter Harmonie zueinander.

Als Verfechter der Wahrheit macht er den Athenern deutlich: 

„Dieses, ihr Athener, ist euch die Wahrheit: ohne weder Kleines noch Großes verhehlt oder entrückt zu haben, sage ich sie euch, – wiewohl ich fast weiß, dass ich eben deshalb verhasst bin. Was eben ein Beweis ist, dass ich die Wahrheit rede, und dass dieses mein übler Ruf ist und dies die Ursachen davon sind. Und wenn ihr, sei es nun jetzt oder in der Folge, die Sache untersucht, werdet ihr es so finden.“ (Apologie 24a)

Anschließend wendet er sich mit einer prophetischen Warnung an die Einwohner Athens:

 „…Ihr mögt denken, daß, wenn ihr nicht gewesen wärt, ihr dem Gott gegenüber nicht sündigt oder seine Wohltat leichten Herzens zurückweist, wenn ihr mich schuldig sprecht. Doch wenn Ihr mich tötet, werdet Ihr es nicht leicht haben, einen anderen zu finden wie mich …”

Von besonderer Bedeutung sind folgende Worte, die Sokrates kurz vor seinem Tod ausstieß, dass es wahrscheinlich ist, dass viele, wenn nicht die meisten derjenigen, die ihn missbilligten, nicht den Wunsch verspürten, ihn sterben zu sehen, und mehr als zufrieden gewesen wären, wenn er hätte überzeugt werden können, Athen zu verlassen.Diesen Vorschlag wies er geradeheraus zurück und erwiderte darauf, dass er sich sein ganzes Leben lang an den Vorteilen erfreute, die die Gesetze Athens ihren Bürgern verliehen, und nun, dass diese selben Gesetzte es als angemessen betrachteten, dass er sterben sollte, wäre es seinerseits sowohl ungerecht als auch undankbar gewesen, ihrer Entscheidung auszuweichen. Außerdem, wer könne schon sagen, dass er nicht in eine bessere Existenz hinübertrat als die, die er bisher gekannt hatte, so Sokrates. In Anbetracht der Vollstreckung der Todesstrafe sagte Sokrates: 

“…ich sorgte mich nicht im mindesten um meinen Tod, und meine einzige Furcht bestand in der Furcht davor, etwas Unrechtschaffenes oder Unheiliges zu tun. Denn der starke Arm jener tyrannischenMacht konnte mich nicht durch Drohung soweit bringen, daß ich etwas Sündhaftes getan hätte …”

Der Wärter wieß ihn dann darauf hin, dass dann, wenn er zu viel redete, dies die Wirkung des Giftes schwäche und er dazu verpflichtet wäre, zwei oder dreimal davon zu trinken. Er zollte diesem Hinweis und den Beschwerden, die seine Vorträge ihm verursachen könnten, nur kärgliche Ehrerbietung. Sokrates antwortete: 

„Laßt ihn sich um seine Aufgaben kümmern und seid bereit, das Gift zwei- oder dreimal zu verabreichen.“

Ungestört fuhr er damit fort, dem Volk von Athen die göttliche Philosophie zu lehren, bis er den Becher mit dem Gift an seine Lippen setzte. Selbst, als ihn das Leben langsam verließ, kam er seinem göttlichen Auftrag nach, bis ihn der Tod schließlich verstummen ließ.  Mirza Tahir Ahmad beendet seine Abhandlung über Sokrates mit folgenden Worten: 

„So endete das Leben eines der ruhmreichsten Propheten Gottes. Friede umgab ihn, als er geboren wurde, Friede umgab ihn während seines Lebens, und Friede umgab ihn, als er lächelnd verstarb – wohingegen die Meute seiner Bewunderer um ihn herum bitterlich klagte und schrie und weinte. Niemals hat Athen den Weggang einer so noblen Seele wie der von Sokrates erlebt! Möge Allah an ihm Gefallen haben! Möge Er ihm Seine auserlesensten Segnungen gewähren; wehe jedoch seinen Mördern. Athen wird seinesgleichen nimmermehr sehen!“