Muslimische Feder

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Ist der Islam antisemitisch? – Eine Analyse aus Koran und Hadith

Ist der Islam antisemitisch? – Eine Analyse aus Koran und Hadith

Der Begriff Antisemitismus hat sich über viele Jahrzehnte hinweg in seiner Bedeutung entwickelt. Heutzutage wird er nur noch als jede Äußerung, jedes Wort oder sogar jede Geste verstanden, die potenziell zum Hass gegen die jüdische Gemeinschaft aufstachelt.

Andere Begriffe wie Islamophobie haben sich in den letzten Jahrzehnten ebenfalls entwickelt, jedoch nicht die Dynamik (sowie die Popularität und allgemeine Akzeptanz) erreicht, die der Begriff Antisemitismus erlangt hat. Während andere Begriffe ähnlicher Art weiterhin unter dem Begriff Diskriminierung, Rassismus oder Sexismus zusammengefasst werden, sticht der Begriff Antisemitismus hervor und bedarf einer ausführlichen Analyse.

In der derzeitigen Lage, in der die Hamas und die israelischen Streitkräfte wieder einmal aneinandergeraten sind und auf beiden Seiten viel Gewalt und Zerstörung zu beobachten ist, tritt die oft diskutierte Frage wieder in den Vordergrund: Ist der Islam von Natur aus antisemitisch?

Zum Verständnis der Frage

Die Frage hierbei lautet, ob der Heilige Koran und die Hadith-Literatur zum Hass gegen die Juden aufrufen. Oder, um es einfach auszudrücken: Hassen Allah und der Heilige ProphetSAW die Juden?

Die Antwort auf diese Frage lautet mit einem Wort: Nein! Allah, der Allmächtige, bezeichnet sie als Ahl al-Kitab – Volk der Schrift – und erwähnt sowohl ihre Tugenden als auch ihre Verfehlungen, die sie begangen hatten, als die letzte Botschaft und der letzte Gesandte Allahs zu ihnen und dem Rest der Menschheit gesandt wurden.

Um die Haltung des Islams gegenüber den Juden zu verstehen, ist es wichtig, dass wir verstehen, wie der Heilige Koran sie klassifiziert. Anschließend kann genauer untersucht werden, wie diese Klassen im Heiligen Koran angesprochen oder erwähnt werden.

Die Juden im Heiligen Koran

Im Heiligen Koran werden die Juden mit verschiedenen Begriffen bezeichnet: Kinder Israels (Banu Israel), die Juden (Al-Yahud) und das Volk der Schrift (Ahl al-Kitab) – der letzte Titel wird mit den Christen geteilt.

Die meisten Verweise auf sie als Banu Israel beziehen sich auf die Gunst Allahs und Seinen Wohltaten ihnen gegenüber, die ihren Status über alle anderen Völker der Welt erhoben haben. Solche Verweise bieten eine Erzählung über die Geschichte der Juden, die Parallelen zu den biblischen Berichten aufweist und gleichzeitig die eigene, einzigartige Perspektive und Interpretation des Korans bietet.

Wenn von ihnen als Ahl Al-Kitab die Rede ist, geht es vor allem um die Botschaft, die sie ursprünglich von ihren Propheten und Schriften erhalten haben. Es geht aber auch um die Fortführung dieser Botschaft durch den Heilige ProphetenSAW des Islam. Solche Verweise deuten einerseits auf die Gemeinsamkeiten zwischen dem Islam und ihren Religionen (Judentum und Christentum) hin, andererseits aber auch darauf, dass sie die verheißene Botschaft (des Heiligen ProphetenSAW) ablehnten, als sie sie erreichte.

Solche Hinweise auf sie, die von ihrer Abweichung von ihren eigenen Lehren und ihrer Abneigung gegen die letzte Botschaft Gottes sprechen, weisen auf bestimmte Strafen hin, die Allah über sie verhängen wird. Die Sura Al-Bayyinah beginnt beispielsweise mit der Erwähnung ihres Unglaubens (kafaru), selbst wenn ihnen eindeutige Beweise vorgelegt wurden (hata ta-tiya hum al-bayyina). Der letzte Teil dieses Verses ist besonders zu beachten, da wir später darauf zurückkommen werden. Der letzte Vers hebt hervor, dass sie Ahl Al-Kitab waren und sich dennoch weigerten, die Fortführung derselben Botschaft, an die sie glaubten, zu akzeptieren. Dies stellt sie in eine Reihe mit den Götzendienern (mushrikun), und sie sind für die Hölle bestimmt, die ihr Aufenthaltsort sein wird (khalidina fi-ha). Daher werden diejenigen unter den Ahl Al-Kitab, die ungläubig sind, als die „schlimmsten der Geschöpfe“ (sharr al-bariyya) eingestuft.

Was die Leser hier bedenken müssen, ist, dass sich Allah in Fragen des Glaubens – oder auch des Unglaubens – die Zurechtweisung der Juden oder der Anhänger anderer Religionen selbst vorbehält und ihnen keine Strafe durch irgendeine menschliche Instanz auferlegt werden darf.

Einige andere Verse, z. B. die Verse 69 und 70 der Surah Al-Ma’idah, weisen den Heiligen ProphetenSAW an, nicht um diejenigen zu trauern, die sich auflehnen (tughyanun) und zu den Ungläubigen unter den Ahl Al-Kitab zählen, obwohl sie die letzte Botschaft Gottes erhalten haben. Die Gründe dafür, dass man wegen ihrer Auflehnung und ihres Unglaubens nicht trauert, können wir aus folgendem Vers verstehen, in dem es heißt: 

„Jene, die geglaubt haben, und die Juden und die Sabäer und die Christen – wer da an Allah glaubt und an den Jüngsten Tag und gute Werke tut –, keine Furcht soll über sie kommen, noch sollen sie trauern.“ (Surah Al-Ma‘idah, Vers 70)

Wieder einmal übernimmt Allah die Verantwortung dafür, ihren Unglauben zu tadeln, während er dem Heiligen ProphetenSAW versichert, dass die Rechtschaffenen unter den Ahl Al-Kitab von der Trauer und der Furcht vor dem Jenseits verschont bleiben, solange sie an Allah und den Jüngsten Tag glauben und gute Taten vollbringen.

Ein sehr ähnlicher Vers weist auf die Möglichkeit der Rettung für die Ahl Al-Kitab in Surah Al-Baqarah hin, wo Allah der Allmächtige sagt:

„Wahrlich, die Gläubigen und die Juden und die Christen und die an andere göttliche Schriften glauben – wer immer (unter diesen) wahrhaft an Allah glaubt und an den Jüngsten Tag und gute Werke tut –, sie sollen ihren Lohn empfangen von ihrem Herrn und keine Furcht soll über sie kommen noch sollen sie trauern.“ (Surah Al-Baqarah, Vers 63)

Die mufassirun (Kommentatoren des Heiligen Koran) haben diese beiden Verse bezüglich der Möglichkeit der Errettung auf unterschiedliche Weise verstanden. Und das, obwohl sie sich nahezu einstimmig einig darüber sind, dass keine andere Möglichkeit besteht, es sei denn, sie glauben an den Heiligen ProphetenSAW. Manche, wie al-Tabarsi, der sich auf Ibn AbbasRA beruft, haben den oben zitierten Vers aus 2:63 durch den folgenden Vers aufgehoben angesehen:

„Und wer eine andere Glaubenslehre sucht als den Islam: niemals soll sie von ihm angenommen werden und im zukünftigen Leben soll er unter den Verlierenden sein.“ (Surah Aal-e-Imran, Vers 86)

Da der Vers aus der Surah Al-Baqarah im früheren Abschnitt des Prophetentums des Heiligen ProphetenSAW offenbart wurde und der Vers aus der Surah Al-Mai’dah in einem späteren Abschnitt, kann die Abrogationstheorie außer Acht gelassen werden.

In den verbleibenden Gruppen von Kommentatoren finden wir zwei große Schulen: die erste Gruppe bezieht diesen Vers auf die Ahl Al-Kitab, die vor dem Islam lebten, während die zweite Gruppe die Universalität des Verses aufrechterhält, so dass dieser für alle zukünftigen Zeiten gilt. Sie verstehen ihn so, dass der Glaube an Allah den Glauben an den Propheten MuhammadSAW voraussetzt – und somit die Erlösung nur für diejenigen einschließt, die den Islam annehmen.

Aber es scheint, dass das Element der Universalität dieses Verses nur teilweise angewendet wird, wie wir weiter unten sehen werden.

Das Konzept der Ahmadiyya Gemeinde über die Erlösung im Islam

Die Ahmadiyya Muslim Gemeinde sieht den Heiligen Koran so, dass kein Vers aufgehoben ist oder jemals aufgehoben werden kann, weil man von Allah nicht erwarten kann, dass er seine eigenen Anordnungen ändert – ein Glaube, der ernsthafte Fragen zu Allahs Allwissenheit aufwerfen würde.

Eine andere Überzeugung der Ahmadiyya Muslim Gemeinde ist, dass der Heilige Koran als letzte Schrift für die Menschheit offenbart wurde und bis in alle Ewigkeit gültig und relevant bleiben wird. Für die Ahmadiyya Muslim Gemeinde gilt der betreffende Vers für alle Ahl Al-Kitab, die jemals auf der Erde gelebt haben oder jemals leben werden.

Dementsprechend wird dieser Vers in der Theologie der Ahmadiyya Muslime so verstanden, dass er alle Ahl Al-Kitab umfasst, die Gegenstand des Verses sind. Das Verständnis dieses Verses ist jedoch ebenso umfassend wie einzigartig.

Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS, Gründer der Ahmadiyya Muslim Gemeinde, legt eine Regel zum Verständnis von Versen fest, die er “synoptisch“ nennt:

„Die göttliche Praxis im Heiligen Koran besteht darin, dass er an einigen Stellen Details enthält und an anderen Stellen eine Synopse verwendet. Und es ist notwendig, dass der Leser die synoptischen Verse so interpretiert, dass sie nicht im Widerspruch zu den detaillierten Versen stehen. Zum Beispiel hat Gott, der Allmächtige, klar und deutlich erklärt, dass schirk [die Beigesellung mit Gott] nicht vergeben werden soll. Aber der Koranvers ان اللہ یغفرالذنوب جمیعاً [Gewiss, Allah vergibt alle Sünden (Surah az-Zumar, Vers 54)] scheint dem Vers zu widersprechen, der besagt, dass schirk nicht vergeben werden soll. Daher wäre es Ketzerei, diesen Vers in einem Sinne zu interpretieren, der im Widerspruch zu kategorischen und entscheidenden Versen steht.“ (Haqiqatul-Wahi, S. 209)

In Anbetracht der obigen Ausführungen erklärt Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS, dass der fragliche Vers „nicht bedeutet, dass die Erlösung ohne den Glauben an den ProphetenSAW erreicht werden kann. Gemeint ist vielmehr, dass die Erlösung nicht ohne den Glauben an Allah … und an den Jüngsten Tag erlangt werden kann. Und vollständiger Glaube an Allah ist nur möglich, wenn man an Seine Propheten glaubt…“ (Ibid, S. 208, 209)

Der Verheißene MessiasAS weist auf die zwei Arten von Versen des Heiligen Korans hin: Die muhkamat (kategorisch) und mutashabehat (allegorisch), wobei die Ersteren in ihrer Bedeutung klar definiert sind, während die Letzteren auf die in den ersteren erwähnten Details anspielen. Er zählt den fraglichen Vers zu den mutashabehat und leitet seine vollständige Bedeutung aus einem Vers ab, der eindeutig zu den muhkamat gehört:

„Die an Allah und Seine Gesandten nicht glauben und eine Trennung herbeiführen möchten zwischen Allah und Seinen Gesandten und sagen: ‘Wir glauben an die Einen und verwerfen die Anderen, und einen Weg zwischendurch einschlagen möchten: Sie sind die wahren Ungläubigen, und den Ungläubigen haben Wir schmähliche Strafe bereitet.“ (Surah An-Nisa, Vers 151-152)

Wenn wir diese beiden Verse im Lichte des Kommentars von Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS vergleichen, möchten wir die Leser noch einmal darauf hinweisen, dass Allah sich das Recht vorbehält, solche Menschen selbst zu bestrafen (wa a’tadna).

Der Verheißene MessiasAS erläutert jedoch das Verständnis des Verses in Bezug auf außergewöhnliche Umstände, in denen die Botschaft des Heiligen Propheten MuhammadSAW jemandem nicht ausreichend und in angemessener Weise übermittelt wurde. Wenn dies der Fall ist, würde die Verweigerung einer Person auf kufr (Unglauben) hinauslaufen und sie des Rechts auf Erlösung berauben. Die Entscheidung darüber, “ob ein ausreichender Beweis erbracht wurde, liegt jedoch allein bei Gott, dem Allmächtigen.” (Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS, Haqiqatul-Wahi, S. 222)

Während die meisten Kommentatoren die Verantwortung dafür, dass die Botschaft des Propheten MuhammadSAW angemessen und ausreichend übermittelt wird, dem Überbringer zuschreiben, gibt der Verheißene MessiasAS einen einzigartigen Blickwinkel, indem er die geistigen Fähigkeiten der Person, der die Botschaft übermittelt wird, in die Gleichung einbezieht:

„… [Die] Vernunft verlangt, dass, da die Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Verständnis ausgestattet sind, auch die Erbringung des ‚ausreichenden Beweises‘ nicht nur auf eine Weise erfolgen darf.

Wenn also diejenigen, die aufgrund ihrer intellektuellen Fähigkeiten die göttlichen Argumente und Zeichen und die Vorzüge eines Glaubens recht leicht verstehen und erkennen können, den Gesandten Gottes aber ablehnen, gehören sie zum höchsten Grad des kufr [Unglaubens].

Diejenigen, die sich nicht auf der gleichen Ebene des Verstehens und des Wissens befinden, aber wenn ihnen nach dem Urteil Gottes genügend Beweise vorgelegt wurden, die dem Niveau ihres Verstehens entsprechen, werden auch sie für ihren Unglauben an den Propheten zur Rechenschaft gezogen, wenn auch in geringerem Maße als die Ungläubigen der ersten Art.“ (Haqiqatul-Wahi, S. 223)

Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS beendet diese Debatte, indem er das menschliche Element aus der Frage der Errettung herausnimmt:

„Jedenfalls ist es nicht an mir, über den Unglauben eines jeden Einzelnen zu entscheiden oder darüber, ob ausreichende Beweise vorgelegt wurden. Vielmehr ist es das Vorrecht dessen, der allwissend ist.“ (Ibid.)

Da Hadhrat Mirza GhulamAS den Heiligen Qur’an als einzige Quelle in dieser Debatte verwendet hat, erklärt er, dass jemand, der die Botschaft nicht angemessen und richtig vermittelt bekommen hat oder dessen kognitive Fähigkeiten ihn daran hindern, sie zu verstehen und anzunehmen, im strengsten Sinne des Wortes Kafir (Ungläubiger) bleiben wird, jedoch gilt:

„Er wird in der Einschätzung Gottes im Zusammenhang mit dem Vers لَا یُکَلِّفُ اللّٰہُ نَفۡسًا اِلَّا وُسۡعَہَا [„Allah belastet niemanden über sein Vermögen.“] nicht als schuldig angesehen.“ (Ibid.) (Surah al-Baqarah, 2:287)

Die Kalifen der Ahmadiyya Muslim Gemeinde über die Errettung

Da das Khilafat des Verheißenen MessiasAS die Aufgabe besitzt, sein Verständnis des Heiligen Korans aufrechtzuerhalten und zu verbreiten, haben seine Kalifen dies auch im Fall dieses Verses getan. Sie haben jedoch die Bedeutung für ein besseres Verständnis in sich verändernden Zeiten erläutert.

Hadhrat Mirza Bashiruddin Mahmud AhmadRA, der zweite Khalifa von Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS, hat die Bedingung der Annahme der Botschaft des Propheten MuhammadSAW für die Errettung hervorgehoben und das außergewöhnliche Element weiter ausgeführt:

„Wir glauben, dass die Hölle für diejenigen ist, die absichtlich und böswillig die Wahrheit leugnen… Wenn jemand die Propheten und ihre Bücher leugnet und seine Ablehnung auf Ehrlichkeit beruht, weil er keine Beweise hat (itmam al-hujjah), dann verdient eine solche Person unserer Meinung nach Allahs Gnade.

Allah der Allmächtige sagt im Heiligen Koran ausdrücklich, dass رحمتی وسعت کل شیء, dass seine Barmherzigkeit jedes Ding umfasst. Er sagt auch, وما خلقت الجن و الانس الا لیعبدون, dass Er jeden Menschen geschaffen habe, damit dieser sein Spiegelbild und sein Diener sein kann – auch فادخلی فی عبٰدی۔ ودخلی جنتی, wer Sein Diener ist, sie ins Paradies eingehen werden.

Die Muslime machen ein Drittel oder ein Viertel der Weltreligionen aus. Und laut Maududi versteht einer von Tausend dieser Muslime den Islam falsch und gibt sich den Neuerungen des Unglaubens (rasumat-e kufr) hin.

Dies würde bedeuten, dass nur etwa vierzigtausend Menschen auf der Welt den Islam verstehen; es ist jedoch unklar, wie viele davon wirklich Muslime sind und wie viele nur dem Namen nach Muslime sind; das bedeutet, dass es auf der ganzen Welt etwa nur einen von Tausend gibt.

Wenn alle anderen in der Hölle sind, was wird dann aus رحمتی وَسِعَت کُلَّ شیء (‚Meine Barmherzigkeit umfasst jedes Ding‘), welche Bedeutung hätte dann noch وما خلقت جن والانس الا لیعبدون. Dies würde die Niederlage Allahs durch die Hand Satans bedeuten […].

[…] Wir haben das Wort kufr nie in der Weise von Maulvi Sahib (Abu al-A’la Maududi) verwendet. Wir glauben, dass Gott barmherzig und gütig ist. Wer ist der Mensch, der die Rettung, die von Gott kommt, verhindern kann?“ (Hadhrat Mirza Bashiruddin Mahmood AhmadRA, Masla Wahi o Nabuwat ke mutaliq Islami Nazria, Anwar-ul-Uloom, Vol. 23, S. 351-352)

Bei einer anderen Gelegenheit erklärte der zweite Kalif diesen Sachverhalt wie folgt:
„Das Paradies wird nicht nur durch das verbale Bekenntnis zum Glauben erlangt, sondern vielmehr durch die Erfüllung einer Reihe von Pflichten. In ähnlicher Weise ist die Hölle nicht das Ergebnis einer verbalen Verleugnung (kufr), sondern ist ebenfalls an eine Reihe von Bedingungen geknüpft. 

Niemand kann in die Hölle eingehen, wenn ihm nicht der vollständige Beweis [itmam al-hujjah] erbracht wurde, selbst dann nicht, wenn er die größte aller Wahrheiten leugnet […].“ (Hadhrat Mirza Bashiruddin Mahmood AhmadRA, Ahmadiyyat ka pegham, Anwar-ul-Uloom, Bd. 20, S. 569)

Hadhrat Mirza Tahir AhmadRH, der vierte Kalif von Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS erklärte die Universalität des fraglichen Verses. In seinem Werk „Islam – Antworten auf die Fragen unserer Zeit“ betitelt er die Debatte:

„Die Erlösung kann nicht von einer einzigen Religion monopolisiert werden“, und verurteilt den Anspruch der Anhänger jeder Religion, dass ihr Weg der einzige Weg zur Erlösung sei:

„Wenn eine solch starre, engstirnige und nicht-tolerante Ansicht in einer provokanten Sprache zum Ausdruck gebracht wird, wie dies im Allgemeinen von religiösen Eiferern geschieht, hat dies bekanntermaßen zu gewalttätigen Ausschreitungen geführt […].

Aber lassen Sie mich meinen Zuhörern versichern, dass die Zuschreibung dieser sturen und engstirnigen Ansicht an den Islam nicht gerechtfertigt ist. Der Heilige Koran hat uns in dieser Hinsicht eine ganz andere Geschichte zu erzählen. Dem Heiligen Koran zufolge kann das Heil nicht von einer einzigen Religion der Welt monopolisiert werden. Selbst wenn neue Wahrheiten offenbart werden und neue Zeitalter des Lichts angebrochen sind, wird Gott denjenigen, die ohne eigenes Verschulden ein Leben in Unwissenheit führen, und denjenigen, die im Allgemeinen versuchen, ein Leben in Wahrheit zu führen, auch wenn sie falsche Ideologien geerbt haben, die Erlösung nicht verweigern. Die folgenden Verse aus dem Heiligen Koran führen diesen Punkt weiter aus:

‘Einem jeden Volke haben Wir Andachtsübungen gegeben, die sie befolgen; sie sollen daher nicht mit dir streiten in dieser Sache; sondern rufe (sie) zu deinem Herrn. Wahrlich, du folgst der rechten Führung.’ (Surah Al-Hagg, Vers 68)

Zur Untermauerung seines Arguments zitiert Er den fraglichen Vers, bevor er einen weiteren Vers des Heiligen Korans über die Ahl Al-Kitab einbringt:  

‚Sie sind nicht (alle) gleich. Unter dem Volk der Schrift ist eine Gemeinschaft, die fest zu ihrem Vertrag steht; sie sprechen das Wort Allahs in den Stunden der Nacht und werfen sich nieder (vor Ihm). Sie glauben an Allah und an den Jüngsten Tag und gebieten das Gute und verwehren das Böse und wetteifern miteinander in guten Werken. Und sie zählen zu den Rechtschaffenen. Und was Gutes sie tun, nimmer wird es ihnen bestritten; und Allah kennt die Gottesfürchtigen wohl.'“ (Surah Aal-e-Imran, Vers 114 – 116) (Ibid.)

Die Zeit des Kalifats von Hadhrat Mirza Tahir AhmadRH erstreckte sich von 1982 bis 2003. Er war Zeuge der Ebbe und Flut der Nahostkrise und hielt eine Reihe von Predigten über die Dynamik der globalen Geopolitik rund um dieses Thema. Er hatte den israelisch-palästinensischen Konflikt aus nächster Nähe beobachtet, was in seinen Ratschlägen zur Errettung sehr deutlich wurde:

„Es gibt heute ein großes Missverständnis, das durch die jüngsten politischen Rivalitäten zwischen Juden und Muslimen entstanden ist, nämlich dass nach dem Islam alle Juden in die Hölle kommen. Dies ist völlig falsch im Lichte dessen, was ich Ihnen aus dem Heiligen Koran vorgetragen habe, und im Lichte des folgenden Verses:

‚Und unter dem Volke Mose ist eine Gemeinde, die durch die Wahrheit den Weg findet und danach Gerechtigkeit übt.'“ (Surah Al-A’raf, Vers 7) (Hadhrat Mirza Tahir AhmadRH, Islam – Antworten auf die Fragen unserer Zeit, S. 23)

Hadhrat Hakim Maulvi NuuruddinRA, der erste Kalif der Ahmadiyya Muslim Gemeinde, kommentierte den oben zitierten Vers (Sure 3, Vers 116), in dem bestimmte Juden als diejenigen bezeichnet werden, die gute Taten vollbringen und gottesfürchtig sind:

„Da Allah allein weiß, wer gottesfürchtig [muttaqin] ist, liegt ihre Sache in Gottes Hand, und wir haben kein Recht, Vermutungen anzustellen“. (Hadhrat Hakim Maulvi NuuruddinRA, Haqaiq-ul-Furqan, Bd. 1, S. 523)

Er stellt jedoch fest, dass wahre Gottesfurcht im Idealfall dazu führt, dass man den wahren Glauben durch den Islam annimmt.

Hadhrat Mirza Masroor AhmadABA, der fünfte Kalif, stellt die Frage der Erlösung ebenfalls auf der gleichen Grundlage wie Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS klar:

„Obwohl Allah der Allmächtige den Heiligen ProphetenSAW für die gesamte Menschheit gesandt hat und es allen zur Pflicht gemacht hat, seinen Ruf anzunehmen, und nur durch diese Annahme ist die Errettung möglich. Wenn jedoch jemandem kein Beweis vorgelegt wurde, dann wird er nicht zur Rechenschaft gezogen, denn Allah belastet keine Seele über ihr Vermögen hinaus.“ (Hadhrat Mirza Masroor AhmadABA, Freitagsansprache vom 29. Mai 2009)

Die gesamte obige Debatte zeigt deutlich, dass die Ahmadiyya Muslim Gemeinde es zwar für unerlässlich hält, die Botschaft des Propheten MuhammadSAW anzunehmen, aber auch anerkennt, dass es immer Ausnahmen geben wird, so wie es bei allen Regeln und Gesetzen in der Welt der Fall ist. Der Islam monopolisiert jedoch nicht die Erlösung, wie oben ausführlich dargelegt wurde.

Wir kehren nun zum ersten Teil dieses Artikels zurück, wo wir erörtern, wie Juden im Heiligen Koran eingestuft werden.

Die politische Lage der frühislamischen Zeit

Von den Tagen des frühen Islams bis zur heutigen Welt sehen wir, dass sich die Auseinandersetzungen zwischen Juden und Muslimen um politische Fragen drehen. Wo der Heilige Koran ihre Übertretungen in Glaubensangelegenheiten erwähnt, nimmt Allah die Bestrafung selbst in die Hand. In Angelegenheiten, die mit dieser Welt zu tun haben – im Kontext des zeitgenössischen Gemeinwesens von Medina und dem Rest von Arabien – wird dem Propheten MuhammadSAW jedoch geraten, zu handeln.

Die Leser sollten sich daran erinnern, dass der Prophet MuhammadSAW im letzten Abschnitt seiner prophetischen Laufbahn ein Staatsmann war, der die Angelegenheiten des Staates Medina regelte und leitete. Bestimmte Schritte, die er unternahm, müssen in ihrem politischen Sinn verstanden werden und nicht als seine prophetischen Lehren oder Glaubenssätze verallgemeinert werden.

Aus historischen Quellen wissen wir, dass der Heilige ProphetSAW freundschaftliche Beziehungen zu den Juden unterhielt, insbesondere am Vorabend der Auswanderung (Hidschra) nach Medina. Die verfeindeten Stämme der Aws und Khazraj – die Vormünder verschiedener jüdischer Stämme – hatten ihn eingeladen, nach Medina zu ziehen und sich dort als Schlichter in ihren langjährigen Fehden niederzulassen.

Nach seiner Ankunft in Medina unternahm der Heilige ProphetSAW sofort Schritte, um etwas zu schaffen, das man als Sicherheitsgemeinschaft bezeichnen kann, in der kein Stamm gegeneinander kämpfen, sondern alle Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln beilegen sollte. Dieser Versuch gipfelte in der Sahifah – besser bekannt als die Charta von Medina (Mithaq al-Medina). Die Sahifah wurde von den einwandernden Muslimen und den örtlichen jüdischen Stämmen sowie allen anderen in Medina ansässigen Stämmen unterzeichnet. („The Constitution of Medina by RB Serjeant“, in The Islamic Quarterly, VIII [Jan-Jun 1964], S. 3; Muhammad at Medina by M Watt, S. 225)

Die Überlieferungen besagen, dass die Quraisch von Mekka die Einwanderung und die friedliche Ansiedlung der Muslime mit Argwohn betrachteten und sich verschworen, wie dieser Frieden wieder zunichte gemacht werden könnte. Ihre Niederlage in der Schlacht von Badr hatte ihr Ego noch mehr verletzt, und die Quraisch suchten nach Wegen, einen Bürgerkrieg in der Gesellschaft von Medina zu entfachen, wo die entstehende muslimische Gemeinschaft nun mit Juden und Polytheisten in Frieden und Harmonie zusammenlebte.

Da der Sieg in Badr dem Heiligen ProphetenSAW und seiner Gemeinschaft der Muslime eine überlegene Position verschafft hatte, forderten einige jüdische Kreise in Medina, die ihre Friedensverträge mit den Muslimen beiseite legten, sie zum Kampf auf, um ihre Überlegenheit zu beweisen und die Kontrolle über Medina zurückzugewinnen. (Sunan abi-Dawud, Kitab al-Khiraj, Bab Kaifa kana ikhraju l-yahud [Wie die Juden vertrieben wurden]; Ibn Hischam)

Dies und ähnliche Gründe führten zu Unruhen mit den Banu Qainqua und zum anschließenden Krieg mit ihnen, der sie zum ersten jüdischen Stamm machte, der den mit den Muslimen geschlossenen Friedensvertrag brach. (Ibn Sa’d)

An dieser Stelle sei daran erinnert, dass alle Stämme Medinas, auch die jüdischen, der Position des Heiligen ProphetenSAW als Schiedsrichter und de facto Herrscher des Staates Medina zugestimmt hatten. Der Aufstand der Banu Qainqua und später anderer jüdischer Stämme wurde als Verrat am Staat und nicht als Ergebnis religiöser oder theologischer Meinungsverschiedenheiten mit den Juden behandelt. Dasselbe gilt für Personen wie Asma bint Marwan und Ka’b ibn Ashraf, die nicht wegen ihres Glaubens, sondern wegen Anstiftung zur Rebellion gegen den Staat bestraft wurden. (Einzelheiten: Bukhari in qatl Ka’b bin Ashraf und Abu Daud, kitab al-khiraj)

Aufgrund der Propaganda bestimmter radikaler islamischer Kreise wird die Tötung der oben genannten Personen dreist als Präzedenzfall für die Tötung aller Personen dargestellt, die sich der Lästerung und Schmähung gegen den Heiligen ProphetenSAW oder der Blasphemie schuldig machen. Anti-Islam-Propagandisten haben sich diese falsch interpretierte und falsch dargestellte Haltung der Muslime zunutze gemacht, um sie gegen den Islam zu verwenden. Tatsache ist jedoch, dass beide Personen Verrat begangen und zur Rebellion gegen den Staat angestiftet haben, und nicht etwa Gotteslästerung; auch wird dem Islam nicht unterstellt, dass er antisemitische Tendenzen hat.

Die Ereignisse, die zum Krieg mit den Banu Nadhir (Sahih al-Bukhari, Kitab al-Nadhir) und den Banu Quraydha führten, zeigen, wie die Quraisch von Mekka sie eingeladen hatten, ein Bündnis gegen den Staat Medina zu schließen, und beide Stämme ihnen zum Opfer gefallen waren. Beide Schlachten wurden mit den jüdischen Stämmen wegen einer Rebellion gegen den Staat bzw. wegen des Bruchs von Friedensverträgen durch beide geführt.

Auch wenn man sich, wie viele Orientalisten, darüber streiten kann, ob die Behandlung der jüdischen Stämme gerechtfertigt war oder wie sie durchgeführt wurde, so besteht doch unter den Historikern, ob muslimisch oder nicht, Einigkeit darüber, dass die genannten jüdischen Stämme von dem Heiligen ProphetenSAW  für den Bruch von Verträgen mit dem Staat und für die Anstiftung zur Rebellion gegen ihn bestraft wurden.

Wir schließen diesen Abschnitt, indem wir noch einmal betonen, dass der Heilige Koran die Bestrafung für Angelegenheiten des religiösen Glaubens oder des Unglaubens eindeutig Allah im Jenseits zuweist und vorbehält. In Angelegenheiten des Staates jedoch wurde der Heilige Prophet angewiesen, diejenigen zu bestrafen, die sich gegen den Staat verschworen haben – so wie es jeder Staat oder sein Justizsystem, auch in der heutigen Welt, zu Recht tun würde.

Diese Unterscheidung ist wichtig, um zu verstehen, dass der Islam keinen Hass oder Gewalt gegen irgendeine Religion oder einen Glauben wegen ihres Glaubens oder sogar Unglaubens predigt – Juden sind da keine Ausnahme.

Juden in der islamischen Eschatologie

Sobald diese Tatsache feststeht, dass die Angelegenheit des Glaubens eines jeden bei Allah liegt und er allein sich das Recht vorbehält, in solchen Angelegenheiten zu bestrafen oder zu vergeben, wird es einfacher, den mit dem Islam verbundenen Antisemitismus im Lichte einiger Ahadith eschatologischer Natur zu entlarven.

Um das Thema nicht noch komplexer zu machen, anstatt es zu vereinfachen, nehmen wir nur zwei Beispiele für solche Ahadith:

Die letzte Stunde wird erst dann kommen, wenn die Muslime gegen die Juden kämpfen und die Muslime sie töten, bis sich die Juden hinter einem Stein oder einem Baum verstecken und ein Stein oder ein Baum sagen wird: Muslim, oder der Diener Allahs, hinter mir ist ein Jude; komm und töte ihn. (Sahih Muslim, 2922, Buch 54, Hadith 6985)

Die letzte Stunde wird erst dann kommen, wenn die Muslime gegen die Juden kämpfen und die Muslime sie töten, bis sich die Juden hinter einem Stein oder einem Baum verstecken und ein Stein oder ein Baum sagen wird: Muslim, oder der Diener Allahs, hinter mir ist ein Jude; komm und töte ihn. (Sahih al-Bukhari, 2926, Buch 56, Hadith 139)

Der Grund dafür, dass ich mich entschieden habe, die beiden Ahadith mit derselben Bedeutung getrennt voneinander wiederzugeben, ist, dass ich die allegorische Natur der Ahadith, die sich mit eschatologischen Themen befassen, hervorheben möchte. Obwohl das Thema weiterhin der Kampf zwischen Muslimen und Juden ist, ist es im ersten Fall ein Baum, der den Juden, der sich dahinter versteckt, in menschlicher Sprache ablenkt, im zweiten Fall ein Stein.

Dieser Baum/Stein, der ein Geheimnis offenbart, kann nicht durch unbelebte Objekte, die durch menschliche Sprachformen kommunizieren, dargestellt werden und kann als Hinweis auf hochentwickelte Waffen oder Überwachungstechnologie gesehen werden.

Der Jude, der sich vor muslimischen Angreifern versteckt, ist eher als Symbol für Nationen oder Einzelpersonen zu verstehen, die dem Heiligen ProphetenSAW in den frühen Tagen des Islam verraten haben. Dabei kann es sich um Menschen aller Glaubensrichtungen handeln, oder, wie es der moderne Anstand nahelegt, um Menschen ohne jeglichen religiösen Glauben, die der Errichtung von Allahs Reich auf Erden im Wege stehen.

Niemand kann jedoch sagen, wie die Auslegung in der kommenden Zeit ausfallen wird, und nur Allah weiß es am besten. Aber wir wissen, wie oben ausführlich dargelegt, dass es jede Grundlage für den Konflikt geben kann, aber nicht irgendeine Form von Antisemitismus, die sich auf den Heiligen Koran stützt, da der Heilige Koran nicht zur Gewalt gegen irgendeine Religion aufruft, nur weil es um Glaubensfragen geht.

Abschließend möchten wir betonen, dass die Konflikte mit den Juden im frühen Islam rein politischer Natur waren und dies auch heute noch in verschiedenen geopolitischen Situationen der Fall ist. Es gibt Beispiele für die Koexistenz von Muslimen und Juden in vielen Gesellschaften. Was wir heute im Fall des Israel-Palästina-Konflikts erleben, ist nicht unbedingt ein muslimisch-jüdischer Konflikt, sondern eher ein arabisch-zionistischer Kampf, bei dem es im ersten Fall um religiöse Überzeugungen und im zweiten Fall um geopolitische Auseinandersetzungen geht.

Hierbei handelt es sich um eine Übersetzung des folgenden Artikel, veröffentlicht auf: https://www.alhakam.org/is-islam-antisemitic-a-brief-study-in-quran-and-hadith/